Für die Entwicklung von Kloster und Schule war nach den unruhigen Zeiten der Französischen Revolution und der nachfolgenden Kriege, in denen die Schwestern auch vorübergehend fliehen mussten die Gunst des Großherzoglichen Hauses in Karlsruhe von großer Bedeutung. 1806 wurde Villingen dem Großherzogtum Baden zugesprochen. Besonders die Großherzoginnen waren um die weibliche Bildungsstätte besorgt. Obwohl evangelischer Konfession, trafen sie regelmäßig zu Besuch in St. Ursula ein auf dem Weg ins "Waldhotel" (heute "Tannenhöhe") oder nach Bad Dürrheim. Kostbare Gastgeschenke mit Widmungen bezeugen dies. Als Beispiel sei das von Großherzogin Sofie gestiftete goldene Kreuz erwähnt, das die jeweilige Superiorin tragen sollte und es "als Beweis höchster Zufriedenheit mit den edelen und großen Anstrengungen des Hauses auf dem Gebiet des Unterrichts und der Erziehung betrachten" (Zitat aus der Chronik).

In der privaten Schule St.Ursula richtete man für Absolventinnen der Volksschule die sogenannten "Pensionatskurse" ein, die in vier halbe Jahre eingeteilt waren. aus den Zeugnislisten mit phantastisch guten Noten ergibt sich ein beachtlicher Fächerkanon: Betragen, Fleiß, Fortschritt, Ordnung, Hausordnung, Religion, Aufsatz, Orthographie, Französisch, Kunstgeschichte, Rechnen, Algebra, Geometrie, Naturgeschichte, Physik, Chemie, Zeichnen, Malen, Schönschreiben, Singen, Klavier, Violine, Turnen und Handarbeit.

Nur dreimal im Jahr weilten die damaligen Pensionärinnen zu Hause in den Ferien. Die wenige Freizeit kam der Festigung des Lehrstoffes zugute. Die Verbindung zwischen Klosterfrauen, wie man sie nannte, und Schülerinnen war eine enge, noch nach Jahr-

zehnten gab es Zeugnisse erlebter Geborgenheit und steter Dankbarkeit von Seiten der ehemaligen Schülerinnen.

Ehrenkreuz am badischen Ordensband

1831 der Superiorin 

M. Ignatia Enslin durch Großherzogin Sophie von Baden verliehen

Nach Auffassung der Stifterin sollten sich die Schwestern auch um die erwachsenen Frauenkümmern, die der Unterweisung bedürfen. Heute geschieht das in den Missions-

stationen der Klöster unserer Genossenschaft, die den Aufbruch nach Afrika und Indien gewagt haben. Die Villinger Ursulinen betreuten einen Arbeiterinnen und Dienstboten-

verein. Man traf sich regelmäßig und pflegte vor allem das beliebte Theaterspiel. Im Kloster baute man auch eine Leihbücherei auf, die am Sonntagnachmittag geöffnet war und von der reger Gebrauch gemacht wurde.

Schon damals und bis zur Schließung von Schule und Internat in der Hitlerzeit besuch-

ten Ausländerinnen aus der französischen Schweiz, aus Frankreich und Italien das Internat. Die Konversation in den Fremdsprachen, vor allem auf französisch, wurde gepflegt.

Solange die Zahl der Schwestern es ermöglichte, wurden die Tätigkeiten ausgedehnt. So entsprach man der Notwendigkeit, Kindern, die dem normalen Unterricht nicht folgen konnten, in einer Sonderklasse zu helfen. Nachhilfe-Unterricht war stets gefragt und wurde vor allem von den im Staatsdienst pensionierten Schwestern erteilt.

Bis in die 80er Jahre gehörte auch eine Landwirtschaft zum klösterlichen Betrieb. Durch Villingerinnen, die ins Kloster eintraten, kamen Grundstücke in den Besitz des Klosters. 

Bauerntöchter, die Schwestern wurden, brachten den nötigen Sachverstand mit, Knechte und Mägde halfen bei der Arbeit.

Klassentreffen 1910

1932 wurde die Landwirtschaft aus der Stadt ins jetzige Hoptbühlgelände verlegt, wo ein Gutshof als Lehrbetrieb mit Schwestern und einem Verwalter jahrzehntelang be-

stand. Den Internen machte das herbstliche Kartoffelauflesen Spaß und erst recht eine Fahrt mit dem Pferdeschlitten durch die verschneiten Wälder zum Klosterhof zwischen Schabenhausen und Fischbach. 1962/63 baute das Kloster einen Aussiedlerhof an der Dauchinger Straße, wo später der Villinger Familienpark errichtet wurde.

Das schulische Angebot in St.Ursula wurde 1914 durch die Einführung des Lehrplanes der Mädchenrealschule für die Klassen U III, 0 III und U II erweitert. Den Unterbau erhielten die Schülerinnen in der "Töchterschule" oder auch "Bürgerschule", die der benachbarten Volksschule angegliedert worden war, die Internen erhielten ihn in den Pensionatskursen in St.Ursula. Von 1933 an baute man die Schule von der Klasse Sexta an auf. Bis auf eine Turnlehrerin und später einer Studienassessorin wurde der Unterricht von Schwestern erteilt. Immer wurden auch evangelische Schülerinnen unterrichtet, bis zur Deportation auch Jüdinnen aus der Stadt.

Im Bereich der heutigen Lehrküche gab es deren Vorläuferin und Unterrichtsräume für die "Frauenschule", in der junge Damen, die zum Teil vor der Verheiratung standen, den Haushalt lernten.

Von den Nazis wurde die Schule 1940 geschlossen und Schule und Internat beschlagnahmt. (Näheres siehe unter Zeit der Bedrängnis)

1945 forderte die französische Militärregierung auf, die Schule wieder zu eröffnen. Sie wurde Schritt für Schritt. wieder aufgebaut als sechsklassiges Progymnasium für Mädchen und als zweijährige Handelsschule. Auch für das Internat gab es noch Bedarf vor allem für Mädchen aus den Dörfern, die eine weiterführende Schule besuchen wollten. Noch in den Sechzigerjahren hatten wir ca. 60 Interne. Das rasch ansteigende Angebot neuer Schulen, die mit Schulbussen von überall her erreichbar wurden, ver-

minderte die Zahl wieder in den folgenden Jahren. Das Internat wurde zuletzt als Heim für Kinder ohne Heimat genutzt und musste 1984 geschlossen werden.

Dachstützenfigur an der Seitenpforte

Die Schülerzahlen wuchsen in den geburtenstarken Jahrgängen in den Siebzigerjahren langsam an. 1982 hatten wir 383 Schülerinnen in 15 Klassen: 10 Klassen Progymna-

sium, 3 Klassen Realschule im Aufbau und 2 Klassen Wirtschaftsschule. Räume des Internates wurden Klassenzimmer. Vom Schuljahr 1979/80 an erhielten wir die Genehmigung, mit je einer Klasse der Realschule zu beginnen.

Die meisten Schülerinnen des Gymnasiums strebten nach Besuch der Oberstufe in einem allgemeinbildenden oder beruflichen Gymnasium das Abitur an und konnten besser gefördert werden, wenn für die mehr praktisch begabten Schülerinnen der Besuch der Realschule möglich war.

Nach der Schließung des Internates gingen die Schülerzahlen in der Wirtschaftsschule zurück, Absolventinnen der Hauptschule zogen damals eine Lehrstelle dem Besuch einer Berufsfachschule vor. So ließ man diesen Schulzweig 1985 auslaufen. Im Lehrerkollegium schied altershalber eine Schwester nach der anderen aus. Bis in die Siebzigerjahre hinein war es schwierig, Lehrer für den Privatschuldienst, an unserer Klosterschule in das kalte Villingen zu finden.

Es bleibt das Verdienst rüstiger Pensionäre, die gerne noch unterrichteten, dass sie einsprangen, um die Schule in jenen kritischen Jahren mit Unterricht zu versorgen. Erst gegen Ende der Siebzigerjahre war der Lehrermangel behoben und konnten junge Kolleginnen und Kollegen eingestellt werden.

Geburtenschwache Jahrgänge ließen die Zahl der Schülerinnen wieder sinken, so dass erneut die Frage auftauchte, ob man nicht durch Einführung der Koedukation mehr Schüler bekäme, wie es sich in anderen Klosterschulen schon gezeigt hatte. Das Erzbistum Freiburg bezeigte sein Interesse am Weiterbestehen der Schule, inspizierte sie mehrfach, riet ebenfalls zur Aufnahme von Jungen und machte das Kloster als Schulträger vertraut mit den Plänen der Gründung einer Schulstiftung für die katholi-

schen Schulen des Erzbistums, die am 15.12.1988 erfolgte. Im Schuljahr 1986/87 übernahm ein Schulleiter die Direktion der Schule, über 50 Jungen wurden für die fünften Klassen angemeldet. Im Jahr 1990 übernahm die Schulstiftung der Erzdiözese Freiburg die Trägerschaft der St.Ursula-Schulen Villingen. Wer sich mit Geschichte befasst der weiß, dass ihr Gesetz Wandel heißt und ihr Gebot Weiterschreiten.

Die Zurücktretenden wünschen sich, dass die Nachrückenden, welche die Verant-

wortung für die Schule übernehmen, ihre Wurzeln nicht verkümmern lassen, sondern stets neu beleben.

verändert nach: Sr. Gisela Sattler (ehem. Schulleiterin) „Die Geschichte von St. Ursula“ 

in: Jahrbuch 1988/89 Progymnasium und Realschule St.Ursula

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